«Wir alle sind Menschen», «dieser Apfel ist rot», «morgen soll es regnen», «seit dem zweiten Weltkrieg ist jeder europäische Staat hoch verschuldet», «die Neue Zeit hat bereits begonnen», «wir Menschen sind eine Gemeinschaft», «Pluto ist kein Planet mehr», «Leinöl, Honig und Magerquark ist ein gutes Frühstück für mich», «ich fühle mich mit dir verbunden» sind Gedanken. Ist einer davon ein Wollen? Prüfe es in dir selbst, indem du jeden denkst und in diesem Denken nach einem Wollen in dir Ausschau hältst.
Möglicherweise gelingt es dir, jeden zu denken, ohne dass sich dein Wille regt. Sind manche Gedanken ein Wollen und andere nicht?
Möglicherweise fehlt das Wort ‹wollen› im Gedanken, damit er zum Wollen wird: «Ich will auch so ein Auto haben», «Ich will, dass es in Universitäten einen Fachbereich gibt, der alles Wissen der Fachschaften in ein Wissen zusammenführt», «Ich will Liebe, Glück, Erfolg, Erfüllung, inneren Frieden, Verbundenheit wirklich erleben», «Ich will heute Abend mit dir ins Kino gehen», «Ich will mir ab heute mehr Zeit für mich selbst nehmen», «Ich will, dass du mir endlich mal zuhörst!» Prüfe es in dir selbst: Sind diese Gedanken ein Wollen?
Hier sind zehn Begriffe: ‹Zuckerwatte›, ‹Glückseligkeit›, ‹verreisen›, ‹küssen›, ‹Unterhaltung›, ‹abnehmen›, ‹Frieden›, ‹Geld›, ‹Abenteuer›, ‹leben›. Forme einen Gedanken aus ihnen, indem du innerlich mit: «Ich will» beginnst und einen der Begriffe anhängst. Hast du nun ein Wollen in dir erschaffen?
Ein einzelner Gedanke ist noch kein Wollen. Ich kann: «Ich will Glück» in mir denken, ohne dass sich dabei mein Wille regt. Dieser Gedanke klingt zwar nach Wollen, doch es sind nur aneinandergereihte Worte im Verstand. Wollen ist etwas viel Tieferes. Ein einzelner Gedanken kann jedoch Unterschiedliches im Innern hervorrufen: Wollen, Nicht-Wollen, Nachdenken, Weiterdenken oder auch wie ein Schall vorbeiziehen. (Unklar ist die Frage, wer oder was das Bewirkende ist. Glaubst du, dass du mit einem einzelnen Satz in deinem Denken etwas in dir bewirken kannst?)
Mancher Gedanke scheint wahrhaftig ein Wollen zu sein. In genauerer Betrachtung scheint ein solcher Gedanke mehr in ein Wollen eingebunden zu sein, von einem Wollen begleitet zu sein. Auch wenn ein Satz im Denken, für sich genommen, für ein Wollen noch nicht ausreicht, gibt es Gedanken, die ein Wollen in dir ausdrücken. Finde einen solchen Gedanken in dir!
Hast du einen in dir gefunden? Etwas, das du wirklich willst?
Das Etwas, das du nun willst, ist ein Denken: Ein Bild der Zukunft, die noch nicht real ist. Etwas Selbstausgemaltes. Dein Wollen ist real, der Inhalt des Gewollten ist es (noch) nicht. Wenn das gewollte Auto in deiner Garage stehen würde und du mit ihm Tag für Tag fahren würdest, wäre das Haben-Wollen dieses Autos ausgeklungen. Wenn du Liebe in dir dauerhaft erleben würdest, wäre kein Wollen nach Liebe in dir. Wenn du deiner Gefährtin deine volle Aufmerksamkeit und Zuwendung schenkst, wäre dann noch ein Wollen nach Zuhören in ihr?
Was ist das Wollen im Denken, wenn es kein einzelner Gedanke ist?
Es ist das Festhalten an einer gedanklichen Vorstellung. Wer von der ‹Neuen Zeit› hört oder liest und nun immer wieder sehnsüchtig an sie denkt, hat ein Wollen in sich erschaffen. Ein Wollen besagt nicht, ob das Gewollte gut oder schlecht für dich ist. Es ist, im Denken betrachtet, zunächst das Wiederholen und damit Festhalten an einem speziellen Denken, an etwas Ausgemaltem. Ein Bergsteiger mit einem ‹eisenern› Willen erreicht den Gipfel trotz aller Widrigkeiten. Leider hat auch schon hier jemand ein Kreuz in den Boden geschlagen. Je stärke der Wille, desto weniger wankt das Festhalten. Mentaltrainer raten ihren Klienten, das Bild des Zieleinlaufes bei jedem Schritt in sich zu tragen. Und es gelingt auch. Das Gewollte ist erreicht. Leider taucht schon bald ein neues Ziel im Denken auf…
Wenn Wollen das Festhalten eines Gedankens ist, stellen sich die Fragen: Wer wählt in dir aus, welchen Gedanken du festhältst? Woher stammt deine Kraft, so manchen Gedanken trotz allen Ausredens, aller Emotionen, die dir entgegenschlagen, trotz allem oft innerem Zweifeln und Zeiten voll tiefen Stimmungen das Gewollte aufrecht zu halten? Wer oder was ist die Kraft, die so manchen Gedanken in dir hält? Wer macht die Gedanken in dir?
Gedanken können schlecht sich selbst halten. Um etwas zu halten braucht es etwas oder jemanden, der dahinter steht. Die Fragen nach dem Willen offenbaren, warum das Wollen im Menschen etwas so Tiefes ist. Das bewusste Auffinden des eigenen Wollens ist ein Tor in die Welt hinter dem eigenen Gemüt, hinter dem Denken und Fühlen.
Prüfe das Gesagte in der selbst, indem du Stille im Denken findest und in dieser für eine Weile lebst. Ist nun noch Wollen in dir? Wenn nein, scheint alles Wollen wahrhaftig nur Denken zu sein. Gelingt dir die Stille im Denken wirklich? Erscheint es dir sinnvoll, ohne Denken, Wollen und Ziele zu leben?
Auch wenn es dir selbst gelingt, das eigene Denken voll, ganz und dauerhaft im Hier und Jetzt zu halten, tun es deine Nächsten vermutlich nicht. Sie leben wie eh und je, wollen und richten ihr Wollen auch. Prüfe es in dir selbst, indem du etwas findest, das du willst. Erlebe das Wollen in dir. Es ist möglich, dieses ‹bei dir zu behalten›, es achtsam als eigenes Bedürfnis auszusprechen, oder es auf deinen Nächsten zu richten. Sie oder er spürt nun dein Wollen. Wollen ist mehr als nur gesprochene Worte, die Lautstärke der Worte, das Gebaren beim Aussprechen.
Im Denken ist Wollen das Festhalten an einem Gedankenkonstrukt. Zugleich scheint es mehr zu sein.
PS: Nicht-Wollen ist reines Denken. Oftmals wird es von tiefer Stimmung, Wut oder Traurigkeit begleitet. Nicht-Wollen kann jedoch ebenso in Freude erlebt werden. Menschen, die bestimmt auftreten, können dieses verbinden. Gefühle verleihen dem Nicht-Wollen und Wollen Ausdruck. Nicht-Wollen ist ein inneres Vor-Formulieren oder bereits direktes Aussprechen. An diesen inneren und gesprochenen Worten hält der oder die Nicht-Wollende im Denken fest. In der Stille des Denkens ist kein Nicht-Wollen vorhanden.
wollen Wollen im Fühlen im Körper Übung
veröffentlicht am 7.4.2016, letzte Änderung am 15.5.2017 um 10:30 Uhr
50 Übungen für Körper, Sinne, Spüren, Fühlen, Denken, Wollen und Sein
Christoph Steinbach und Jaipur
412 Seiten, gebunden, mit 22 Zeichnungen des Verfassers
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